Christoph Waltz inszeniert den „Rosenkavalier“

Das junge Kulturportal der Großregion Grrrrr lädt zum Workshop ein

Christoph Waltz, der zweifache Oscar-Preisträger aus „Inglorious Basterds“ und „Django Unchained“, ist als Regisseur zu Gast in Luxemburg. Er inszeniert die Oper „ Der Rosenkavalier“ im Grand Théâtre de la Ville du Luxembourg, in Zusammenarbeit mit der Vlaamse Opera Antwerpen und Covent Garden London.

Grrrrr.eu war zu Besuch bei der Generalprobe und hat mit der Regieassistentin Victoria Pfortmüller gesprochen, die uns vom Rosenkavalier, von ihrer Zusammenarbeit mit Christoph Waltz und von ihrer persönlichen Erfahrung mit der Oper erzählt hat. Leider sind die beiden Aufführungen am 25. und 27. Februar bereits ausverkauft, aber mit Grrrrr könnt ihr einen Blick hinter die Kulissen werfen.

Paule Daro:  Christoph Waltz inszeniert den Rosenkavalier – was kann man sich von diesem Mix erwarten?

Victoria Pfortmüller: Zuerst möchte ich gerne sagen, was man nicht erwarten kann. Wenn man Christoph Waltz hört, denkt man natürlich zuerst an Quentin Tarantino und an seine Filme, die oft auch Gewalt zeigen. Genau das ist es nicht. Denn Christoph Waltz nimmt die Regie sehr ernst, er möchte eine Geschichte erzählen, wobei es ihm trotzdem auch ums Schauspiel geht. Auch die Vorlage von Hugo von Hofmannsthal betont ja das Schauspiel und damit haben wir uns sehr intensiv befasst. Deswegen haben wir zuerst nur gelesen. Für die Sänger war das anfangs ungewöhnlich, aber es musste sein. Christoph Waltz legt auch sehr viel Wert auf die Details, er arbeitet Dinge sehr genau, sehr fein heraus. Auf diese Details muss man auch als Zuschauer achten, denn es geht nicht darum, dass man alles serviert kommt. Man wird durch die Gedanken hineingezogen. Trotzdem steht die Musik im Mittelpunkt, darauf legt auch Christoph Waltz wert. Im Rosenkavalier ist diese sehr farbenreich und erzählerisch.

P.D: Wie war denn die Zusammenarbeit mit Christoph Waltz?

V.P: Fantastisch. Eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. […] Christoph Waltz hat mir auch sehr viel Vertrauen entgegengebracht und das war toll. Man vergisst einfach, dass er ein Star ist. Unser Verhältnis ist sehr vertrauensvoll. […] Christoph Waltz muss das hier ja nicht tun, er tut es aus Leidenschaft und das spürt man. Er nimmt die Arbeit sehr ernst, ernster sogar als manche seiner Kollegen. Ich war in Antwerpen an der Oper und habe da mit vielen Kollegen zusammengearbeitet und viele hatte keine klare Vorstellung von der Oper und von dem was sie wollten. Da ist Christoph Waltz völlig anders. Er hatte eine ganz klare Idee vom Rosenkavalier und für die Umsetzung war ich mit zuständig.

Man fragt sich vielleicht, wie Christoph Waltz zur Oper kommt, aber er ist ja kein Metzger oder Bäcker, sondern stammt aus einer Theaterfamilie. Er kennt die Materie und ist sozusagen ein Theatermensch der ersten Stunde. Daher ist es auch überhaupt nicht abwegig, dass er beim Rosenkavalier Regie führt. Natürlich gibt es da viel Aufsehen und viel Marketing, wenn jemand wie er so etwas macht, aber er hat das immer positiv genutzt. Das alles ist für ihn eher ein Ansporn noch mehr zu machen und noch besser zu sein. Er will es allen beweisen.

P.D: Sie haben ja auch schon viel mit jungen Menschen gearbeitet und für junge Menschen inszeniert. Haben sie eine junge Vision der Oper?

V.P: Das war eigentlich eher Zufall. Ich habe früher oft am Opernstudio in Zürich ausgeholfen, wo junge Sänger ausgebildet werden, die zwar ihre Gesangsausbildung offiziell abgeschlossen haben, aber die gemerkt haben, dass sie doch noch nicht bereit sind für die große Bühne. Diese Arbeit hat mir sehr gut gefallen. Natürlich geht es für mich auch um das junge Publikum, denn in den Opernhäusern ist das Durchschnittsalter weiterhin hoch. Das war zuerst unbewusst, später war es aber eine ganz bewusste Entscheidung, mich auf das junge Publikum zu konzentrieren.

Gerade bei der Oper gibt es noch viel Angst und Unsicherheit, die Leute wissen nicht so wirklich, was sie erwartet. Diese Ängste, diese Unsicherheit, muss man überwinden und das war auch die Idee bei meinen Projekten. Ich habe zum Beispiel mit Hip-Hop Tänzern und Studenten zusammengearbeitet, die noch nie etwas mit Oper zu tun hatten. Die Reaktionen waren fantastisch. Es war toll zu sehen, dass auch diese Leute, die keine Erfahrung mit klassischer Musik haben, etwas davon mitgenommen haben.

P.D: Wann genau endet denn bei einer Oper die Inszenierung?

V.P: Die idealistische Antworte lautet natürlich: Nie. Es ist schon schwierig, sein „Baby“ abzugeben. Zwei Jahre vor der Aufführung gibt es ja das erste Treffen und ein Jahr vorher die Bauprobe, bei der u.a. die Dimensionen ausgetestet werden. Eine Oper hat also eine lange Vorlaufszeit. Wenn wir mit den Proben beginnen, haben wir bereits einen langen Prozess hinter uns. Bei der Aufführung gibt man das Kind aus der Hand und gibt es an das Publikum ab, das ist nicht einfach. Der Regisseur steht ja schließlich nicht selbst auf der Bühne, er muss den Schauspielern vertrauen, dass sie die Dinge aus der Probe auch so umsetzen.

P.D: Erinnern Sie sich noch an die erste Oper, die Sie je gesehen haben?

V.P: Es war bestimmt etwas von Mozart. Ich war 3 Jahre alt und ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, es war „Die Entführung aus dem Serail“.

P.D: Hat Ihnen die Oper sofort gefallen?

V.P: Ja, ich wollte eigentlich zuerst Sängerin werden und nahm jahrelang Gesangsunterricht. Mit 16 oder 17 hatte ich dann eine Gesangslehrerin, die meinte, ich sollte mir das noch einmal überlegen. Sie hat mir vorgeschlagen, mir auch die andere Seite der Oper, also die Regie, anzuschauen. Das ist natürlich schwierig, wenn man 10 Jahre lang gesungen hat, aber ich habe es versucht und es war toll. Für mich war es schon immer die Oper und das wird es auch in Zukunft so sein – auch wenn mir von meinem berufsbegleitenden Studium des Kunstmanagements noch viele Möglichkeiten offen stehen.

P.D: Singen Sie heute noch?

V.P: (lacht) Nur unter der Dusche.

P.D: Wenn eine Fee zu Ihnen käme und Ihnen einen Wunsch gestatten würde, was würden Sie an der Oper ändern?

V.P: Das Repertoiretheater. Das ist für mich der Tod des Theaters. Repertoiretheater bedeutet, dass eine Vorstellung einstudiert wird und dann ein ganzes Jahr lang läuft. Es ist das Gegenteil vom künstlerischen Arbeiten. Das Gegenstück ist das En-suite-Theater oder das Stagionesystem. Hier wird 8 Wochen lang geprobt und dann wird das Stück 5 oder vielleicht auch 10 Mal nacheinander aufgeführt und ist dann weg. Der Vorteil des En-suite-Theaters ist, dass es immer frisch bleibt, es gibt immer etwas Neues. Mein erster Wunsch wäre, dass sich das En-suite-Theater durchsetzt.

P.D: Ist die Oper für Sie damit eine Momentaufnahme?

V.P: Es gibt ja mittlerweile auch Opern-CDs, -DVDs oder man kann sich Opern im Kino ansehen. Dieses Geschäft boomt. Ich war zuerst skeptisch, aber so erreicht man ein größeres Publikum, zum Beispiel auch Menschen in der Kleinstadt. Dennoch ist das, was die Oper eigentlich ausmacht, ist der Live-Effekt. Menschen kommen zusammen und schauen sich etwas an, ohne sich ablenken zu lassen. Es ist heute fast archaisch, dass man das Handy ausschaltet und sich in Ruhe etwas anschaut und mit Ausnahme des Kinos gibt es das fast nirgends mehr.

Leute spielen live und dabei gehen natürlich auch Dinge schief. Darin besteht auch der Druck bei der Oper: Es gibt kein Zurück. Dieser Druck, vor allem für die Sänger, ist schön, aber gleichzeitig macht er auch Angst. Deswegen bin ich ganz froh, dass ich doch nicht Sängerin geworden bin.

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