„Dinner for One“ auf Saarländisch

Freddie Frintons Sketch „Dinner for One“, der jedes Silvester traditionell über die Fernsehbildschirme flimmert, ist allseits bekannt und hat seinen rituellen Charakter auch nach über 50 Jahren nicht eingebüßt. 1994 adaptierten die Mundart-Komiker Hans Beislschmidt und Anne Marie Neuhaus das Stück erfolgreich für die saarländische Bühne. Im vergangenen Jahr feierte „De Diener vum Sophie“ sein 20-jähriges Jubiläum.
Saarbrücken. 1994 fing alles an, da stolperte Hans Beislschmidt zum ersten Mal als Butler James über den Tigerkopf, leerte ein Glas Alkohol nach dem anderen und stellte die berühmte Frage: „Die gleich Prozedur wie ledschd Johr, Miss Sophie?“ Diese Frage ist bezeichnend, denn in der Tat tun Beislschmidt und Anne Marie Neuhaus seit 20 Jahren an Silvester nichts anderes, als „De Diener vum Sophie“ zu spielen, eine saarländische Version von „Dinner for One“. Beislschmidt erzählt, wie es dazu kam: „Ich stellte fest, dass es außer dem Programm des Saarländischen Staatstheaters keine öffentlichen Veranstaltungen an Silvester gab. Da beschloss ich, selbst etwas zu inszenieren.“

Da Freddie Frintons Sketch schon damals Kultstatus genoss, lag die Idee eines saarländischen Pendants nah. Beislschmidt begann, den englischen Originaltext ins Saarländische zu transformieren: Aus der Mulligatawny soup wurde eine Markklößchensuppe und aus dem Aufschrei „I’ll kill that cat!“ der Fluch „Leck die Katz am Arsch!“ „Der Text sollte Wiederkennungswert haben und viel saarländisches Lokalkolorit beinhalten“, erklärt Beislschmidt im Gespräch mit GRRRRR-Redakteurin Katharina Klasen. So verlangt Miss Sophie zur Suppe natürlich Maggi, während James sich zwischendurch an einer Flasche Karlsberg Urpils stärkt. Miss Sophies nobles Anwesen befindet sich auf dem Saarbrücker Rotenbühl, des Weiteren gibt es Anspielungen auf den „Sonnenberg“ (Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik) und das „feindliche Ausland: die Pfalz.
„Weil das Originalstück recht kurz ist und man damit keinen Abend füllen kann, haben wir eine Geschichte um die Kernstory gestrickt. Denn selbst Saarländer würden wegen 20 Minuten nicht ins Theater gehen“, so Beislschmidt. „Also haben wir noch etwas ,Fleisch an die Geschichte gemacht‘: Sophie ist ein Moldscher Mäde, das durch einen Lottogewinn zu Geld gekommen ist. James, ein brachialer Grobmotoriker, ist auf Jobsuche, weil ihm bei Saarberg gekündigt wurde.“

Ein Thekengast, der die eifrigen Planungen damals mitbekam, schlug spontan den Titel vor: „Nennt es doch ,De Diener vum Sophie‘!“ Ihre Premiere feierte die Mundart-Komödie an Silvester 1994 im Restaurant „Ostviertel“ in Saarbrücken, das von Beislschmidt betrieben wurde. Seit 1998 sind Miss Sophie und Butler James auf der Bühne des Theaters „Blauer Hirsch“ im Stadtteil St. Arnual zu Hause – und somit abermals unter Beislschmidts eigenem Dach.

Seit Jahren registrieren die beiden Akteure ein Stammpublikum, das der alljährlichen Aufführung beiwohnt. „Viele kennen das Stück auswendig und fiebern mit.“ Es kam schon vor, dass Stammgäste nach der Vorstellung auf Beislschmidt zukamen und ihn darauf aufmerksam machten, „dass ich da und dort etwas vergessen habe.“ Der Künstler weiß: „Ohne die Wiederholungstäter würde unser Stück nicht laufen.“ Neuhaus spricht gar gerührt von „ihrem Publikum“: „Sobald ich auf der Bühne stehe, spüre ich diese warme Welle der Zuneigung, die mir entgegen strömt. Das ist so schön.“

Doch wo rührt der 20-jährige Erfolg her? „Ich denke, da kommt vieles zusammen. Das Datum, die Story, das Lokalkolorit und die Eigendynamik, die sich im Lauf der Zeit entwickelt hat“, sagt Neuhaus. „Das Stück ist mit uns gewachsen. Manchmal passieren unvorhergesehene Dinge auf der Bühne (eine Panne oder ein spontaner Gag), die man danach dauerhaft einbaut. Einmal habe ich improvisiert und gesagt: ,James, du bischd de Butler, nit de Terminator.‘ Das war ein solcher Brüller, dass der Spruch im Programm blieb.“ Ebenso wurden fliegende Hähnchen und wegflutschende Fische zum Running Gag.

Im Laufe der Jahre ereignete sich aber auch eine Panne, die Anne Marie Neuhaus beinahe den Hals gekostet hätte: Beislschmidt hatte beim Umrunden des festlich gedeckten Tischs zu viel Schwung drauf und zog im Eifer des Gefechts am Stuhl von Miss Sophie – so kraftvoll, dass diese rücklings mit selbigem umkippte. „Das Publikum hat gegrölt vor Lachen. Es sah wohl sehr lustig aus“, erinnert sich Neuhaus. „Aber Hans war weiß wie eine Wand. Und zugegeben, der Sturz hatte ganz schön weh getan.“ Doch ein Künstler, der für die Bühne brennt, kennt keinen Schmerz. Und so ließ Neuhaus sich von Beislschmidt aufhelfen and the show went on – trotz großer Beule am Hinterkopf. Noch heute denkt Beislschmidt mit Schaudern an diese Situation zurück. „Das hätte böse ausgehen können. Seitdem sind wir wesentlich vorsichtiger.“

Weniger Vorsicht lassen die beiden Mundart-Komiker beim Thema Textsicherheit walten. Bereits am 30. Dezember 2014 fand eine Aufführung von „De Diener vum Sophie“ statt. „Die Generalprobe“, wie Beislschmidt augenzwinkernd anmerkte. „Kann der Hans den Text noch?“ Denn im Vorfeld wurde nicht groß geprobt. „Ich glaube, es gibt ein paar Lücken. Aber dann improvisieren wir halt“, meinte er nüchtern.

Die ersten 40 Minuten des Stücks bestreitet Beislschmidt übrigens immer als Alleinunterhalter und kann dabei sein wunderbares komödiantisches Talent unter Beweis stellen. Glaubhaft imitierte er unter anderem Humphrey Bogart, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg. Außerdem berichtete er dem Publikum davon, welche Odyssee James durch den Dschungel des Dienstleistungsgewerbes durchlaufen musste, bis er endlich eine Anstellung als Butler bei Miss Sophie fand: Auf die Kündigung von Saarberg folgte ein wenig erkenntnisreicher Besuch beim Arbeitsamt. Also beschloss James sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen (und führte zum Amüsement des Publikums die Sektflasche in seiner Hand zum Mund und trank einen großen Schluck). Er versuchte sich als Kellner in der Gastronomie („Eine schöne Arbeit, wenn die Gäste nicht wären!“), als Verkäufer bei „Praktiker“, als Demenzbegleiter sowie beim Gerüstbau und beim „Dracula-Express“. Eine Anzeige in der Saarbrücker Zeitung führte ihn dann zu Miss Sophie.

Auf die Frage, wie lange James noch als „de Diener vum Sophie“ agieren soll, antwortet Beislschmidt: „Solange am Jahresende Publikum kommt, spielen wir!“ Angesichts der Besucherzahlen zum 20. Geburtstag des Stücks werden es sicherlich noch mehrere Jahre sein, in denen viele, viele Gläser Sherry, Weißwein, Portwein und Champagner fließen werden. Cheers!

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