„Es ist so schwül, so dumpfig hier…“

Gretchen 89 ff. – eine Huldigung an die Kunst der Inszenierung

Als ich am Sonntag, dem 11.01.15, das Kasino am Kornmarkt betrat, war ich frei von jeglichen Erwartungen. Weder habe ich Faust gelesen, was ich zu meiner Schande gestehen muss, noch eine Vorführung des Theaterensembles des Theater Trier gesehen, was sich mit meiner doch recht frischen Trierer Neubürgerschaft entschuldigen lässt. Kurz gesagt: Ich hatte keinen blassen Schimmer!

Die Stimmung im Kasino war sehr entspannt, die Stühle um die runden Tische waren gut besetzt. Nach einer kurzen Ansprache des Intendanten ging es auch schon los.

Gretchen 89 ff. ist eine mitreißende Komödie, die Faust humorvoll in die Gegenwart katapultiert. Das Stück thematisiert die anrüchige Kästchenszene aus Goethes Faust, Seite 89 folgende. In diesem Abschnitt findet Gretchen Fausts Schmuckkästchen. Jedoch geht es in Hübners Stück weniger um die Handlung des Klassikers selbst, sondern um die vielfältige Inszenierung von Regisseur und Schauspieler. In 10 Szenen geben sich der Schmerzensmann, der alte Haudegen, das Turnierpferd, der Freudianer, die Anfängerin, die Diva so wie die Dramaturgin die Ehre.

Die Scheinwerfer erhellen die Bühne, die Schauspieler Friederike Majerczyk und Christian Miedreich betreten unbefangen den Handlungsort. Auf eine Einleitung wartet der Zuschauer vergeblich, jedoch wird er direkt in den Bann der Inszenierung gezogen. Mit dem immer gleichen Szenenwechsel, begleitet von der Melodie eines bekannten Songs der Beatles, wird der Rollentausch der verschiedenen Regisseur- so wie Schauspielertypen verdeutlicht. Man kann sich gut vorstellen, dass die alltäglichen Proben auf den Theaterbühnen genau so ablaufen. Es ist die Verkörperung der charakteristischen Besonderheiten, die der Zuschauer fasziniert verfolgt. Majerczyk und Miedreich begeistern mit Wandelbarkeit, denn der Wechsel diverser Dialekte, so wie Verhaltensweisen, gelingt ihnen gekonnt und authentisch. Das Publikum ist begeistert, belohnt die Darsteller mit herzhaftem Lachen und ehrlichem Applaus.

Lutz Hübners Stück wird noch bis zum 08.07.15 im Kasino am Kornmarkt, im Herzen von Trier, aufgeführt. Absolut empfehlenswert, wenn man sich auf eine ganz spritzige Art von Schauspiel einlässt und Goethe einmal außen vor lässt.