„Ich bin, was ich bin“

Travestie trifft auf Tradition im Merziger Zeltpalast

 

Seit dem 17. Juli sind im Merziger Zeltpalast die Narren los. Das diesjährige Musical auf dem Spielplan ist „La cage aux folles“, auch als „Ein Käfig voller Narren“ bekannt. Im Stück ist „La cage aux folles“ ein Nachtclub, in dem sich Travestie-Diva Zaza und ihre sieben Dragqueens die Ehre geben. Die Idylle wird jedoch jäh unterbrochen, als Jean Michel, Sohn des schwulen Nachtclubbesitzers Georges, mit seiner Angebeteten und deren erzkonservativen Eltern auftaucht. Nun gilt es, ein traditionelles Image zu pflegen, um den Schwiegereltern in spe zu gefallen.

Merzig. Willkommen im  „La cage aux folles“, Georges‘ exklusivem Nachtclub an der französischen Riviera, wo Homosexualität und Travestie keine Ausnahmen, sondern die Regel sind. Hier ist, so kündigt es jedenfalls Georges mit vor Stolz geschwellter Brust an, Zaza der Star der Show. Die Zuschauer im Merziger Zeltpalast könnten da durchaus anderer Meinung sein. Denn obgleich Holger Hauer zweifelsohne als Albin/Zaza gesanglich und schauspielerisch überzeugt, dürften sich sieben andere Darsteller ebenfalls ins Herz des Publikums gesungen und getanzt haben: die Dragqueens Hanna, Chantal, Mercédes, Phädra, Odette, Dermah und Clo-Clo. Es macht absolut Spaß, ihnen bei ihren unterhaltsamen Darbietungen zuzuschauen.

Während die Kostüme und das Bühnenbild (samt beweglicher Showtreppe) überzeugen, hat das Broadway-Musical in Merzig mit einer großen Schwäche zu kämpfen: der Langatmigkeit der Inszenierung. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis die Handlung in Gang kommt – und selbst dann wirkt sie keinesfalls fesselnd und mitreißend. Überhaupt ist die Story schnell erzählt: Ein schwules Pärchen (Georges und Albin) führt ein angenehmes Leben am Strand (und natürlich im Nachtclub) von Saint-Tropez. Dann taucht der 24-jährige Sohn von Georges, Jean Michel, auf, der einst aus einer Liebelei mit der leichtlebigen Sybille hervorgegangen ist und Zeit seines Lebens von Georges und Albin als Eltern aufgezogen wurde. Zum Schock dieser beiden verkündet Jean Michel nun seine Verlobung mit Anne Dindon – der Tochter des erzkonservativen Politikers Edouard Dindon, der der Partei TFM angehört, der Partei für Tradition, Familie und Moral. Und schlimmer noch: Die Dindons befinden sich bereits auf dem Weg nach Saint-Tropez, um die Schwiegereltern in spe ihrer Tochter kennenzulernen. Selbstsüchtig und jedes Feingefühls beraubt verlangt Jean Michel von seinem Vater daher, Albin für eine Nacht „verschwinden zu lassen“ und seine Mutter Sybille einzuladen. Eine Mutter im Übrigen, die sich nie auch nur einen Deut um ihren Sprössling geschert hat!

Diese Ausgangsbasis wird in der ersten halben Stunde des Stücks gelegt. Dennoch dauerte es ab diesem Zeitpunkt noch zwei Stunden, bis die Dindons im zweiten Akt erstmals die Bühne betreten. Entsprechend fällt das Zusammentreffen der beiden Welten (Travestie und Tradition) leider sehr kurz aus. Ein Happy End wird blitzschnell an den Haaren herbeigezogen.

Lobend ist hingegen der Versuch anzusehen, aktuelle Bezüge zur „Schwulendebatte“ in Russland und im Saarland herzustellen. So bittet Zaza das Merziger Publikum darum, sollte jemand Kontakte zur russischen Politik haben, er möge doch Herrn Putin bitte ausrichten, dass Homosexualität keine Krankheit sei. Diese Aussage erntet auch sogleich Zustimmung und Applaus im Zuschauersaal. Und auch ein Seitenhieb auf Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer durfte nicht fehlen, die noch im Juni von sich hatte reden lassen, als sie Homosexualität in einem Atemzug mit Inzest und Polygamie nannte.

Was ist noch erwähnenswert? Viele Gags von Georges und Albin sind leider ausgelutscht und zaubern dem Zuschauer – wenn überhaupt – nur ein müdes Lächeln ins Gesicht. Da beide Charaktere jedoch grundsympathisch sind, verzeiht man ihnen diese flachen Sätzchen rasch. Absolut kein Sympathieträger ist hingegen Sohnemann Jean Michel. Er legt ein selbstsüchtiges, undankbares, ungerechtes, ja geradezu asoziales Verhalten an den Tag und fordert von Georges und Albin Respekt und Verständnis, wobei er sich selbst den beiden gegenüber alles andere als respekt- und verständnisvoll verhält. Sein Sinneswandel am Ende – der natürlich für das Happy End wichtig ist – vermag daher nicht wirklich zu überzeugen und wirkt arg konstruiert.

Fazit: „La cage aux folles“ im Merziger Zeltpalast ist durchaus einen Besuch wert (allein wegen der Dragqueens). Man sollte sich jedoch auf einen Abend mit Längen gefasst machen und viel Sitzfleisch mitbringen.

Von GRRRRR-Redakteurin Katharina Klasen
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