Nancy Jazz Pulsations

Musikvielfalt oder auch: Tanzen bis zum Umfallen

Das Nancy Jazz Pulsations-Festival ist eines der musikalischen Ereignisse in der Großregion. Jedes Jahr im Oktober (dieses Jahr vom 08. bis zum 18. Oktober) finden sich französische und internationale Künstler in der Stadt ein. Um einen Eindruck von den unterschiedlichen Musikrichtungen und Künsten zu gewinnen, zieht es unsere Redakteure aus Frankreich (Mickaël Wozniak), Belgien (Cédric Schwind) und Deutschland (Nicole Burkhardt und Nina Roob) ein Wochenende lang in das pulsierende Nachtleben der Lothringer.

Samstag, der 11. Oktober 2014

Es ist kurz nach 23 Uhr als wir L’Autre Canal betreten. Aus dem Konzertsaal dringen bereits tanzbare Beats an unser Ohr. Schnell noch die Jacken verstaut und sich überdrüssiger Tanzhindernisse entledigt, begeben wir uns zu dem ersten Act unseres gemeinsamen Abends: dem Geschwister-Duo Fernese, bestehend aus Éléonore und Engus, die sich CARBON AIRWAYS nennen. Die Eltern der 17- und 18-Jährigen kann man nicht beneiden, wenn man sich vorstellt, dass sie zu Hause bis tief in die Nacht ihre Beats ausprobieren. Denn die beiden jungen Franzosen haben sich voll und ganz dem Electro-Punk verschrieben – und das macht sich in der ganzen Halle bemerkbar. Hunderte Menschen schmeißen sich ausgelassen ineinander, geben sich den rhythmisch-pulsierenden Klängen hin. Auch die Künstler selbst toben sich aus: Wer nicht gerade am Mischpult hantiert oder seine Stimme durch das Mikrofon verstärkt, bereichert die Bühne mit seinem ausgelassenen Tanzstil. Die Jugend des Geschwisterpaars steckt an und ringt der Qualität ihrer Musik keinerlei Nachteil ab. Wer also schnelle Punk-Rhythmen auf elektronischem Hintergrund liebt, der ist der CARBON AIRWAYS an der richtigen Adresse.

Nach einer kurzen Atempause neben Crêpes, Zigaretten und französischem Bier tauchen wir in die Welt des Electro-Blues ein. Der zweite Act dieses späten Abends, BLACK STROBE, begeistert nicht nur mit Musik, sondern auch mit Lokalpatriotismus. Arnaud Rebotini, der charismatische Frontman, war lange Zeit in Nancy zuhause. Der Spaß, in seiner einstigen Heimatstadt zu spielen, ist ihm deutlich anzumerken: Arnaud lässt es sich nicht nehmen, sich auf der Bühne gelegentlich einen Schluck aus seiner Wodkaflasche zu genehmigen. Trotzdem glänzen er und seine Bandkollegen mit professionellem Auftreten. Ein besonderes Spektakel bieten die „Strobes“ auch mit ihrer Lichtshow. Höhepunkt ist natürlich die extented version von „I’m a man“, die sie ganz zum Schluss spielen. Mit diesem Hit haben es die Franzosen bis in den Filmsoundtrack von Guy Ritchies „RocknRolla“ geschafft – und als Ohrwurm in unsere Köpfe.

Im Konzertraum bemerkt man mittlerweile schon, wie die Luft stickiger wird – ein gutes Zeichen für tanzbare Musik! Zwischen den Konzerten also noch einmal an die frische Luft. Dann geht es orientalisch weiter: Mit ACID ARAB trifft elektronische Musik auf nahöstliche. Während sich einige Besucher tänzerisch den Electro-Elementen hingeben, versucht sich der ein oder andere (mehr oder minder erfolgreich) im Bauchtanz. Die beiden DJs, Guido Minsky und Hervé Carvalho, feiern sich währenddessen selbst auf der Bühne – und das zurecht! Ihre Musik löst in der Menge Glücksgefühle aus.

Nach einem schnellen Umbau folgt der vierte Act, CHLOÉ, eine etablierte Größe in der Minimal-Szene. Eingängige Beats treiben den Schweiß auf die Stirn, trance-artige Intermezzi gönnen eine abwechslungsreiche Verschnaufpause. Die bereits seit den 1990ern bekannte DJane weiß ihr Publikum immer noch zu hypnotisieren. Auch wir lassen uns anstecken und drehen noch mal richtig auf. Am Ende fehlt uns dann leider die Kraft für Act Nummer 5. Ohne den letzten Künstler, N’TO, gesehen zu haben, räumen wir das Feld und überlassen die „Nouvelle Vague“ der Electro-Musik den wirklich Taffen.

Wenig Jazz, viel Electro. Das Resultat des Abends ist keineswegs ein enttäuschendes. Wir hatten unseren Spaß. „Mir gefielen ACID ARAB am Besten“, meint Cédric, „man konnte sich gut dazu bewegen.“ Während Nina sich am meisten für CARBON AIRWAYS und CHLOÉ begeistert und Mickaël die von ihm interviewten BLACK STROBE’s (https://soundcloud.com/radiocampuslorraine/njp-interview-de-black-strobe) feiert, freut sich Nicole bereits auf das Ereignis am Sonntag: die YOUNGBLOOD BRASS BAND aus den USA.

 

Sonntag, der 12. Oktober 2014

Halbwegs ausgeschlafen machen wir uns gegen 15 Uhr auf den Weg in den Parc de la Pépinière. Das US-amerikanische Bläsergespann um die YOUNGBLOOD BRASS BAND, das bereits am Tag zuvor gespielt hatte, gibt sich nochmals um 16.30 Uhr im Chapiteau die Ehre. Das letzte Konzert  der Gruppe auf französischem Boden füllt das Zelt mit vielen Interessierten. Hier und da wird zu den soulig-funkigen Klängen mit untermalenden Rap-Texten getanzt, während von draußen der Regen auf das Zeltdach prasselt. Die Brasser sind mit Elan dabei – die Akustik allerdings stellt sich dem entgegen und schmälert dadurch leider das Klangerlebnis. Nichtsdestotrotz: Die Jungs auf der Bühne haben ihren Spaß!

Nach dem Konzert wagen wir uns hinaus in den Regen. Trotz des miserablen Wetters sind viele Menschen unterwegs. Rund um das Chapiteau sind Marktstände aufgebaut, die, von musikalischen Einlagen gesäumt, zum Verweilen einladen. Uns fesselt letztendlich ein Swing-Quintett mit Kontrabass, Trompete und Co, das unter einem Sonnenschirm Lieder längst vergangener Zeiten spielt und uns auf diese Zeitreise mitnimmt. Ein abrundendes musikalisches Erlebnis. NJP hat es uns gezeigt: Musik verbindet nicht nur Menschen, sondern auch viele unterschiedliche Richtungen. Wir freuen uns bereits auf das nächste Jahr!

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