Über den Egoismus der Menschen und türkisene Badehosen

Geschichten aus dem Wienerwald

Es ist der 10. März 2015, 20 Uhr. Der Zuschauerraum im Grand Théâtre de Luxembourg ist hell erleuchtet und laut ertönt der Donauwalzer von Johann Strauss. Gespannt wartet das Publikum auf den Beginn des Stückes, doch während das Licht im Zuschauerraum immer heller wird, scheinen die Schauspieler, die auf der dunklen Bühne sitzen, das Publikum zu beobachten. Zwischen die heiteren Klänge des berühmten Wiener Walzers, mischt sich nun das unruhige  Geflüster der Theaterbesucher.

Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ lösen beim Zuschauer mit Sicherheit keine Glücksgefühle oder freudige Begeisterung aus, und doch will der Applaus am Ende der Aufführung nicht enden. Die Inszenierung des Deutschen Theaters Berlin beeindruckt das Publikum auf ganz andere Weise. Mit großartiger schauspielerischer Leistung erzählt das Ensemble die Geschichte einer jungen Frau, die versucht auf ihr Herz zu hören und gegen den Strom zu schwimmen, ihrem Scheitern, dem Egoismus der Menschen, von Liebe und Hass. Ein Stück, das auf humorvolle Art und Weise kritisiert und beim Zuschauer, wenn auch eher negative, aber dennoch große Emotionen weckt. Man verlässt den Theatersaal vermutlich nicht glücklicher oder klüger, aber sehr wahrscheinlich verändert, so der gebürtige Hamburger Moritz Grove in einem Interview mit Grrrrr. Auch wenn er sich nicht sicher ist, ob sich das Stück hundertprozentig auf unsere heutige Gesellschaft übertragen lässt, da sich zentrale Themen des Stückes, wie zum Beispiel die Rolle der Frau, sehr geändert haben, so könne sich der Zuschauer vielleicht doch in einzelnen Charakteren oder bestimmten Situationen wiedererkennen.

Moritz Grove verkörpert in „Geschichten aus dem Wiener Wald“ den jungen Jurastudenten und begeisterten Nationalsozialisten Erich. Stellvertretend stehe seine Rolle nicht nur für den aufkommenden Nationalsozialismus und den drohenden Zweiten Weltkrieg, sondern zeige im Zusammenspiel mit dem Rittmeister, einem Kämpfer des Ersten Weltkrieges, auch das Problem des Generationenkonflikts. Moritz Grove selbst beschreibt Erich als einen überzogenen Charakter mit einer sehr klaren Linie.

Auch wenn es für ihn interessantere, tiefgründigere und facettenreichere Rollen gibt, stehe er immer wieder gerne mit den „Geschichten aus dem Wiener Wald“ auf der Bühne. Dies läge vor allem an der perfekten Taktung, die die Inszenierung dem Regisseur Michael Thalheimer und seiner sehr präzisen Arbeit zu verdanken hat. Auch der Spaß kommt, laut Grove, trotz der ernsten Thematik nicht zu kurz. So sei es für ihn nicht komisch nur mit einer knappen, türkisfarbenen und, wohl gemerkt, selbstausgesuchten Badehose bekleidet, einen betrunkenen Nationalsozialisten zu spielen. Im Gegenteil seien es gerade diese Szenen, die er besonders mag. Besonders gut gefalle ihm aber vor allem die den Zuschauer doch etwas verwirrende Anfangsszene. Für ihn als Schauspieler sei es sehr angenehm, so sachte ins Stück zu starten. Mit den Mitspielern gemeinsam auf der Bühne zu sitzen und Zeit zu haben, sich erst einmal in Ruhe das Publikum anzuschauen, die Stimmung auf sich wirken zu lassen, sei natürlich etwas ganz anderes, als ein gewöhnlicher Auftritt, bei dem gleich alle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet ist.

Im Nachhinein kann man sagen, der „etwas andere“ Anfang sowie das Stück an sich haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“, inszeniert vom deutschen Theater Berlin, berühren, bewegen und begeistern.

 

Von Hanna Kaspar und Laura Bachstein

 

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