„Was wir in unserer Seele tragen, drücken wir durch Tanz aus“

Wenn 52 tänzerisch begabte Jugendliche aus vier verschiedenen Ländern zusammenkommen , kann   Großes auf der Bühne erwartet werden. Und tatsächlich: In der gut besuchten Osthalle am Römerkastell lieferten die Tänzer und Tänzerinnen aus Deutschland, Frankreich, Rumänien und Bosnien-Herzegowina eine klug und emotional inszenierte Choreografie über vergangene und gegenwärtige Kriege ab.

#P.O.S.T. 14 – Der einfallsreiche Name steht für eine junge Generation, die sich mit dem Ersten Weltkrieg (1914-1918), dem Jugoslawien-Krieg (1990er) und dem Danach beschäftigt. 2014 versammelten sich die Projektteilnehmer in Sarajevo, um zum hundertjährigen Gedenken an den Beginn des Ersten Weltkriegs ein Tanztheaterstück zu entwerfen.  Fünf bis neun Stunden tägliche Probe, Übernachten auf dem Fußboden und unterschiedliche Sprach- und Tanzkenntnisse schreckten das Ensemble nicht ab – im Gegenteil: Über das Tanzen und den interkulturellen Austausch entstanden neue Freundschaften. Ein Zeugnis dieser neuen Freundschaft stand zu Beginn des diesjährigen Perspectives-Festivals:

In drei Bögen – so erklärt Projektleiter Heiner Buchen und so präsentieren es die Tänzer – wird dem Thema „Krieg“ Ausdruck verliehen. Zunächst geht es um den Ersten Weltkrieg, Standardschulstoff ohne lebende Augenzeugen. Das Schach(kriegs-)feld auf der Bühne, besetzt vom schwarzen und weißen König, wird von Breakdancern und Drum’n’Bass-Beats eingenommen. Aggressiv begegnen sich die Tänzer, quasi im direkten Zweikampf. Zusätzliche Beklommenheit kommt beim Publikum auf, als die Truppe sich zu einer lauthals schreienden Meute vereinigt und ein wahres Tanzgemetzel losbricht. Akrobatische Einlagen, Slowmotion-Bewegungen, imposante Einzelchoreografien und nicht zuletzt eine projizierte Kamerafahrt durch Sarajevo, der Ort, an dem der Erste Weltkrieg seinen Anfang nahm, fesseln die überwiegend jugendlichen Zuschauer an diesem Donnerstagmorgen. Die etwa gleichaltrigen Bühnendarsteller erzählen unterdessen Geschichten aus dem kollektiven und persönlichen Umgang mit Krieg: von ignoranter Verherrlichung von Kriegswaffen und -kleidung bis hin zur grausamen Realität des unwiderruflichen Todes in den Schützengräben. Mit verbundenen Augen stolpern sie in blindem Gehorsam über die Bühne, stellen in ergreifender Manier Mord und Vergewaltigung dar, lassen Witwen und Waisen zurück. Dabei wird den Zuschauern klar gemacht, dass all diese Gräuel nicht nur ein Jahrhundert entfernt liegen. Denn der zweite Bogen des Stücks setzt sich mit den Jugoslawien-Kriegen auseinander, in die viele der Jugendlichen – zumindest zeitlich – selbst hineingeboren wurden. Kaum zwanzig Jahre her. Und auch heute klopft das Thema „Krieg“ auch in unserer Heimat, in Europa, an die Haustür  (Ukraine) und bleibt somit unabdingbar brisant. Es muss darüber gesprochen werden.

Ängste und Sorgen zu kommunizieren, aber auch Hoffnungen, wie es bei #P.O.S.T.14 abschließend im dritten Bogen geschieht, ist ein Weg, der uns allen offensteht und uns alle verbindet. Wenn auf vier Sprachen die Anliegen der Jugendlichen vom Tonband abgespielt werden, legen die Darsteller ihre Last, die sie in Form von Sandsäcken geschultert haben, zu Füßen des Publikums ab. Friedliches Miteinader, Neugier auf Fremdes und Offenheit gegenüber den Mitmenschen klingen als abschließende Botschaft von der Tanzfläche. Und aus dem Publikum: begeistertes Bravo und im Anschlussgespräch, nach anfänglichem Zögern, interessierte Fragen an das Team. Am Ende des Gesprächs und nach einer grandiosen Aufführung gilt eines als unwiderruflich erwiesen: Tanzen verbindet. Jugendliche aus ganz Europa, historische Ereignisse und am Ende Publikum und Darsteller mit der von den Choreografen ausgesprochenen Einladung, gemeinsam auf der Bühne zu tanzen.

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